“Massenverhaftungen,
Mord, Folter und Inhaftierung durch das burmesische Regime konnten unsere
Sehnsucht nach der Freiheit, die uns vor so vielen Jahren gestohlen wurde,
nicht nehmen. Wie haben ihren stärksten Schlag verkraftet. Nun sind es die
Generäle, die die Folgen ihrer Taten fürchten müssen. Wir halten uns an
gewaltlosen Widerstand, aber unser Rückrad ist aus Stahl.” [1]
Dies sagte der burmesische Mönch
Ashin Gambira in einem am 4. November 2007 in der Washington Post
veröffentlichten Artikel; an dem Tag, an dem er von der Militärpolizei in
Sagaign verhaftet wurde. Als er dies schrieb, befand er sich auf der Flucht –
Folge der tödlichen Niederschlagung des Demokratieprotestes vom 26 – 27
September, der Safran Revolution. Zu diesem Zeitpunkt hielt das Regime bereits
U Gambiras Vater und Bruder als Geiseln fest in der Hoffnung, ihn damit aus
seinem Versteck zu locken. Mitglieder der Geheimpolizei suchten überall nach
ihm und ließen dabei buchstäblich nichts unversucht.
Als einer der Hauptanführer der
Safran Revolution hatte Ashin Gambira sich bereits seit 2005 unter den Mönchen
engagiert, denn während seines Studiums des Dhammacariya war ihm das Leiden der
Bevölkerung Burmas immer stärker bewusst geworden: Die Armut, die fehlende
Bildung, die Fehlentwicklung der buddhistischen Religion in seinem Land.
„Die
Militärregierung hat Burma zum Zusammenbruch gebracht. Unsere Wirtschaft ist
ruiniert. Ehemals der Brotkorb Asiens kann sich Burma heute nicht einmal mehr
selbst ernähren. Wir waren einmal ein Licht in Bildung und Literatur,
heutzutage hat das Regime überall die Schulen und Universitäten geschlossen.
Wir haben einmal Freiheit geatmet, jetzt ersticken wir an der faulen Luft der
Tyrannei.“ [2]
U Gambira (ein Pseudonym, sein
bürgerlicher Name ist Nyi Nyi Lwin, sein Dharmatitel U Sandawartha) arbeitete
unermüdlich für eine friedliche Befreiung seines Landes. Er zog von einem
Kloster ins andere, schrieb Artikel, hängte nachts Plakate an Wände und knüpfte
Verbindungen. In einem Land wie Burma, in dem das brutale Militärregime seit
mehr als vierzig Jahren jede friedliche Opposition zum Schweigen gebracht und
unterdrückt hat, bedeuteten solches Aktivitäten die ständige Gefahr einer
Verhaftung. Es bedeutet, mit einem falschen Namen leben und seine Umgebung
ständig genauestens beobachten zu müssen. Vor allem aber bedeutet es, niemandem
vertrauen zu können.
Ashin Gambira wurde am 19 Juni
1979 in Kaing-leh, Pauk Gemeinde, Magwe als fünftes von sieben Geschwistern
geboren. Im alter von zwölf Jahren wurde er Novize. Nach den
Demokratieprotesten des Jahres 1988 waren sein Vater und sein Bruder inhaftiert
und alle Schulen im Land für zwei Jahre geschlossen worden. In dieser Zeit lief
Ashin Gambira von zuhause fort und wurde Kindsoldat. Als seine Eltern ihn in
Yangoon fanden, brachen sie ihn in das nahegelegene Kloster, aus Angst, er
könnte zwangsweise durch Verhaftung zum Militär zurückbefohlen werden.
Ashin Gambira ist ein Mensch, der
sein Land und seine Landsleute sehr liebt. Gerechtigkeit und Freiheit sind
seine Leitideale. Er verabscheut Unterdrückung, liebt Bücher. Er interessiert
sich für Englisch und Computertechnologie. In seinem Heimatdorf hat U Gambira
eine Bücherei gegründet und Bücher an Bibliotheken im ganzen Land gespendet.
„Wir
Mönche haben keine Frau und keinen Reichtum, dem wir anhaften. Wir existieren
in dieser Welt für unsere Missionsarbeit, für die Menschheit. Als
Vorraussetzung für unsere Missionsarbeit müssen die Menschen frei sein von
Sorgen um ihren Lebensunterhalt, sozialen Gefahren und die Gefährdung durch
Tyrannen. Wir, die wir keine Anhaftungen haben, müssen den einfachen Menschen
helfen bei der Bewältigung ihrer Probleme. Dieser Arbeit haben wir uns selbst
und unser Leben verschrieben.“ [3]
Als die Regierung am 15. August
2007 die Preise für Benzin und Diesel verdoppelte, erhöhten sich die Kosten für
Sprit zum Betrieb von Bussen um das Fünffache. Dies traf die Bevölkerung Burmas
schwer, erhöhte es doch die Preise für den öffentlichen Verkehr und für Reis
und Speiseöl. Die Mönche aus der Stadt Pakokku zogen in einem Protestzug das
Metta Sutra rezitierend durch die Straßen. Bewaffnete Regierungstruppen
feuerten Warnschüsse in die Luft, schlugen, verhafteten und entkleideten drei
Mönche.
Dieser Vorfall führte zu einem
Dringlichkeitstreffen der neu gegründeten All Burma Monks Alliance (ABMA – Die
Gründer U Gambira, Ashin Issariya, Ashin Pannasiri, U Obhasa, U Khemeinda und U
Zakada trafen sich regelmäßig seit Beginn des Jahres 2007). Sie
veröffentlichten eine Erklärung, in der sie die Militärjunta aufforderten, sich
bis zum 17. September für den Angriff auf die Mönche zu entschuldigen und einen
Dialog mit den demokratischen Gruppen im Lande zu beginnen. Doch das Militär
lehnte dies ab.
„Was ist
nötig damit die Welt erkennt, das Burmas Generäle eine Bedrohung sind und das
wegen ihrer schlechten Regierung Drogen, Krankheiten und Flüchtlinge aus Burma
über die Grenzen durch andere Länder geschwemmt werden und Leben ruinieren?“ [4]
Also organisierten Ashin Gambira
und seine Freunde Massenproteste im ganzen Land, indem sie auf nächtlich
aufgehängten Plakaten alle Mönche aufforderten, sich dem Boykott des
Militärregimes anzuschließen. U Gambira gab Radiointerviews, sprach mit der
BBC. Er wurde zum bekannten Anführer der Bewegung. Er konnte nicht wissen, wie
viele Mönche sich dem Aufruf anschließen würden, doch tatsächlich wurden die
Proteste von Tag zu Tag stärker. Innerhalb kurzer Zeit breiteten sie sich quasi
über ganz Burma aus: Yangoon, Sittwe, Pakokku, Mandalay. Mehr als
hunderttausend Menschen protestierten in Yangoon und wurden damit zur größten
Demokratiebewegung seit zwanzig Jahren.
Um den Aufstand niederzuschlagen,
begannen die Militärtruppen im ganzen Land nachts Klöster zu überfallen. Sie
verhafteten, schlugen und erschossen Mönche und einfache Leute auf den Straßen
und in den Klöstern. Viele Mönche waren gezwungen, ihre Roben abzulegen und um
ihr Leben zu fliehen. Es gab keinen sicheren Ort mehr. Berichte gaben an, dass
mehr als zehntausend Menschen – viele davon Mönche, die die Proteste angeführt
hatten – „zu Verhören zusammengetrieben wurden“. Diplomaten der Vereinigten
Staaten, die fünfzehn Klöster besuchten, fanden diese leer vor, während andere
Klöster verbarrikadiert und von Soldaten bewacht waren.
„Hunderte
unserer Mönche und Nonnen wurden misshandelt und verhaftet. Viele wurden
getötet. Beunruhigenderweise sind Tausende Geistliche verschwunden. Unsere
heiligen Klöster wurden geplündert und zerstört. Jede Nacht, wenn es dunkel
wird, versuchen Geheimdiensteinheiten religiöse und politische Führer festzusetzen.“ [5]
Dies sagte U Gambira via
Mobiltelefon in einem Interview zu Alan Clemets im Oktober 2007. Er hatte nicht
erwartet, dass die Generäle Mönche, Studenten und einfache Leute brutal
niedermetzeln würden. „Wann immer er sich an diese Gräueltaten erinnerte,
erlitt er nervöse Anspannung und seine Gesundheit verschlechterte sich. Trotz
seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung musste er den Schwung des
Aufstandes aufrecht erhalten und gleichzeitig untertauchen, um einer Verhaftung
zu entgehen.“ [6] U Gambiras Freunde und Kollegen drängten ihn, das Land zu
verlassen, er aber lehnte dies ab.
Er sagte: „Es
gibt kein Zurück. Es ist nicht wichtig, ob mein Leben oder das Leben meiner
Kollegen auf dieser Reise geopfert wird. Andere werden in unsere Fußstapfen
treten und mehr werden sich der Bewegung anschließen und folgen.“ [7]
Seit Ashin Gambira am 4. November
2007 verhaftet wurde, wird er, nachdem man ihm seine Mönchsrobe gewaltsam
genommen hatte, in Einzelhaft gefangen gehalten. Er wurde des Hochverrats angeklagt
und zu 68 Jahren Gefängnis verurteilt (später wurde die Strafe auf 63 Jahre
reduziert). Am 19 Januar 2009 erhielt Ashin Gambiras Familie die Nachricht,
dass er sich seit dem 13 Januar im Hungerstreik befinde. Tatsächlich
verweigerte er die Aufnahme von Nahrung und Wasser und konnte vor Schwäche
nicht mehr aufstehen.
Am 16. März ließ U Gambira durch
seine Mutter eine Aufforderung an Menschenrechts- und Demokratieaktivisten
übermitteln, sich weiter für eine Änderung im politischen System einzusetzen.
Er bekräftigte, dass er sein Ringen für die Menschen in Burma, deren Rechte von
der Regierung mit Füßen getreten werden, fortsetze. Er erinnerte alle daran,
ihre Pflichten zu erfüllen.
Seiner Mutter gegenüber äußerte U
Gambira bei dieser Gelegenheit auch, dass er Internet und Tee vermisse. “Ich wünschte, ich könnte mich frei
bewegen, ich würde gerne Tee trinken und benötige noch ein Jahr mehr, um meine
Studien abzuschließen. Aber ich bin bereit, meinen Freiheit zu opfern und ich
werde nicht aufhören, zu ringen.“ [8]
Am 27. Mai 2009 wurde U Gambira
von Khandi in das Kale Gefängnis in Sagaing verlegt. Er hatte einen Protest
inszeniert und schreiend nach einem Treffen mit Snr. Gen. Than Shwe verlangt.
Seine Gesundheitsverfassung war sehr schlecht, er litt an Asthma und Bronchitis.
Aufgrund der anhaltenden Folter
besonders im Khandi Gefängnis befindet sich U Gambira heute in einer
Verfassung, in der es ihm schwer fällt, zu sprechen. Ein Mönch, der ihn im März
2010 im Gefängnis besucht hat, berichtet: „Ashin Gambira ist nicht mehr bei
klarem Verstand. Sein Geist ist ‘an einem anderen Ort’. Er hat schwere
neurologische Schäden erlitten. Er war über lange Zeit in einem dunklen Raum
isoliert, so dass er jetzt im Licht kaum noch die Augen öffnen kann. Er isst
nicht und er kann sich auch nicht an seine Freunde erinnern. Er sitzt einfach
nur da und starrt vor sich hin. Sein Körper ist übersät mit Wunden und braunen
Narben.“ [9]
„Wir, die
Sangha Burmas, werden nicht aufhören bis wir unser Ziel erreicht haben. Um
dieses Ziel zu erreichen, laden wir all euch freiheitsliebende Menschen ein,
uns in unserem Ringen zu unterstützen. Findet einen euch entsprechenden Weg,
uns zu helfen und handelt bitte!“ [10]
Von Alexandra Rösch
[1] [2] [4] [5] [7] What Burma’s generals must fear, Ashin
Gambira, Washington Post, Nov. 4th 2007http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/11/02/AR2007110201783.html
[3] [6] Rev. Gambira, Vimutti, http://vimutti-englishpage.blogspot.com/2008/01/ah-shin-gambira_16.html
[8] Assistance Association for Political Prisoners (Burma), http://www.aappb.org/
[9] U
Gambira always told me “Every religious person must work to free our country
from the military regime.”, Ashin Kesara, March 2010
[10] Interview with Alan Clements, October 2007 /Dr. Ashin Nayaka, Ashin
Gambira